SIR RICHARD BISHOP – SAGINAW RACKET 2LP ….eine Betrachtung von Detlef Diederichsen ….

 

***Kaum jemand hat in den letzten Jahrzehnten intensivere und weitreichendere Forschungen mit der Gitarre betrieben als Sir Richard Bishop. Zunächst ab 1981 als Mitglied der Sun City Girls im neo-psychedelischen, experimentellen Post-Punk-Segment, später vor allem solo und in Improv-Begegnungen mit den unterschiedlichsten musikalischen Partner*innen. Dabei verließ sein Spiel sehr schnell die Rock-Grenzen und öffnete sich vor allem für asiatische und nordafrikanische Skalen und Formen.

Das Doppelalbum „Saginaw Racket“ ist Bishops erstes Werk nach einer über fünfjährigen Pause, in der er teilweise für eine längere Zeit gar keine Gitarre mehr angefasst hat. Saginaw, Michigan, ist sein Geburtsort und die Musik in gewisser Weise eine Reise zurück in seine Jugend, die er dort verbracht hat. Die vier Stücke – jedes eine Plattenseite lang – sind alle nach bestimmten Orten in Saginaw benannt, eine Praxis, die sich Bishop womöglich von John Fahey abgeguckt hat, der seine Stücke auch gerne nach in seiner Jugend wichtigen Plätzen benannte.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass „Saginaw Racket“ in gewisser Hinsicht Bishops Rückkehr zur Rock-Gitarre dokumentiert – und zwar zur psychedelisch entgrenzten Rock-Spielweise der späten Sechziger und frühen Siebziger, als sich Gitarristen wie Jimi Hendrix, Jerry Garcia oder Lou Reed auf höchst unterschiedliche Art das Instrument aneigneten und ihm neue Klangwelten erschlossen. „Tri-City Dragway“ eröffnet „Saginaw Racket“ mit einem fast Glam-Rock-artigen Gitarrenloop, der das ganze Stück über gleichbleibend durchläuft. Darüber schwingt sich Bishop zunächst zu klassisch-psychedelischen Soli auf, die anfänglich stark nach San Francisco 1967 klingen, im weiteren Verlauf aber zunehmend wilder und ekstatischer werden, und schließlich in atonalen Kaskaden gipfeln, die keine Ähnlichkeit mehr mit Hippietum haben. „Tittabawassee (Parts 1 and 2)“ startet als Dronemonster, um sich dann über exotische Skalen auch wieder in Richtung Psychedelia zu bewegen. „House Of Foam Rubber (Parts 1 and 2)“ ist womöglich der Höhepunkt des Albums, zumindest was die Vielfältigkeit angeht. Das freundliche, fast folkige Backing der Anfangsphase wird irgendwann ganz ausgeblendet und Bishop schwingt sich auf in ein majestätisches Himmelreich der Sologitarre, in dem von Garage-Punk- bis zu Free-Noise-Anklängen die unterschiedlichsten Ansätze zu einem sinnvollen Ganzen verwoben werden. „Ghosts Of East Genesee“ schließlich knüpft an den Beginn des Werks an, als auch hier wieder ein relativ schlichter Loop den Hintergrund für verschiedene längere Klangerzählungen und kürzere Ausbrüche liefert. Dieser Versuchsaufbau mit den stoischen Loops ist es auch, der manchmal ein Fragezeichen hinterlässt und man überlegt, ob nicht ein Counterpart vom Schlage eines Rashied Ali oder eines Tony Williams hier noch für mehr Spannung und Überraschungsmomente gesorgt hätten.

Ansonsten ist es ungemein faszinierend wie Sir Richard Bishop mit einem vergleichsweise kleinen Repertoire an Stilmitteln maximale Ausdruckskraft und eine geradezu entwaffnende Dynamik erzielt. Er muss sein Instrument nicht mit dem Geigenbogen malträtieren oder in Flammen setzen. Es genügt ihm das Standardwerkzeug des Rockgitarristen, um auf diesen psychedelischen Reisen von A nicht nur nach B, sondern meist noch hinter Z und wieder zurück zu gelangen.